Benannt nach Victor Conrad

Benannt ist das Observatorium am Trafelberg nach dem österreichischen Geophysiker Victor Conrad. Victor Conrad wurde am 25. August 1876 in Wien in eine großbürgerliche jüdische Familie geboren. Conrad studierte Physik an der Universität Wien und verfasste seine Dissertation am physikalisch-chemischen Institut unter dem Physiker Franz-Serafin Exner. Nach seiner Promotion 1900 wird er ab 1901 an der ZAMG als Universitätsassistent angestellt. 1904 wird der Erdbebendienst an der ZAMG eingerichtet, Victor Conrad zu dessen ersten Leiter und gleichzeitig zum Adjunkten der ZAMG ernannt. 1906 erhält Conrad die venia legendi für Meteorologie an der Universität Wien. 1910 wurde Conrad zum Ao.Univ.Prof. der Kosmischen Physik an der Franz-Josephs-Universität in Czernowitz (heute in der Ukraine) ernannt. Von 1911 bis 1914 organisierte Conrad dort das neue Institut für Kosmische Physik und das Observatorium. Er hielt u.a. Vorlesungen über Physik der Erde, Astronomie, Klimatologie, Wettervorhersage und Seismologie. 

Victor Conrad
Abb. 1: Victor Conrad


Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie Ende 1918 mussten die meisten der deutschen Professoren Czernowitz Ende Juli 1919 verlassen, so auch Conrad, unter „[…] Verlust der Lehrkanzel, Habe und Vermögen […] ” Die geplante Ernennung zum Ordinarius mit 1.1.1919 wurde nicht durchgeführt, Conrad wird wieder als Beamter in der Funktion des Leiters des Erdbebendienstes eingesetzt. Dass ihm die Funktion eines Beamten und nicht die eines Hochschulprofessors zugewiesen wurde, empfand Conrad stets als Demütigung. Erst 1926 verleiht ihm Bundespräsident Michael Hainisch den Titel eines ordentlichen Universitätsprofessors.
Beharrlich versuchte Conrad in der Republik Österreich an der Universität Fuß zu fassen – 1919 wird seine venia legendi erneuert. Zu einer antisemitischen Diskriminierung kommt es 1923, als er sich für die vakante Lehrkanzel für Meteorologie und Geophysik an der Universität Graz als Nachfolger von Heinrich Ficker bewirbt. Die Kommission zur Wiederbesetzung der Lehrkanzel begründete die Nichtberücksichtigung von Conrad im Besetzungsvorschlag folgend:
„[…] Prof. Conrad ist Jude und seine Ernennung würde schweren Widerstande seitens der Grazer Studentenschaft begegnen […] sieht die Kommission von einer Nominierung Dr. Conrads ab und beschränkt ihren Vorschlag auf die übrigen drei angeführten Gelehrten. […]“
In der Publikation „Laufzeitkurven des Tauernbebens vom 28. November 1923“ (1925) beschrieb Conrad die Beobachtung von P - Wellen, die ihm schließlich zu dem Schluss eines 2-Schichten Aufbaus der Erdkruste führten. Die Grenzfläche dieser Schichten wurde später als „Conrad Diskontinuität“ bekannt. Als 1926 Conrad der Herausgeber von „Gerlands Beiträgen zur Geophysik“ – eine der ältesten Zeitschriften auf diesem Gebiet (seit 1887) – wurde, avancierte die Zeitschrift zum wichtigsten internationalen Publikationsorgan für geophysikalische Forschungen.
1934 wurde Conrad an der ZAMG „mit Wartegebühr“ suspendiert. Diese abrupte Kündigung erfolgte mit 30. April 1934 – Conrad war 58 –, 1936 wurde er in den Ruhestand versetzt. Conrad hielt seine letzte Vorlesung an der Universität Wien im WS 1937/38 über „Niederschlag und Sonnenschein auf der Erde“.
Nachdem die Nazis 1938 an die Macht kamen, hielt der bedeutende deutsche Seismologe Beno Gutenberg – seit 1930 Professor für Geophysik am California Institute of Technology in Pasadena – seine Kontakte in Deutschland aufrecht. Er half vielen jüdischen WissenschafterInnen aus Deutschland und Österreich in die USA zu emigrieren, so auch Victor Conrad; Gutenbergs Bürgschaft („affidavit“) für Conrad war für seine Emigration und somit für das Überleben essentiell.
Von 1939 bis 1940 arbeitete Conrad erfolgreich an der Pennsylvania State University, Department of Meteorology, von 1940 bis 1942 an der New York University, am California Institute of Technology, an der University of Chicago und schließlich von 1944 bis 1951 an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts.
Conrads wissenschaftliches Lebenswerk umfasst mehr als 240 Aufsätze über die Meteorologie, Klimatologie und Seismologie.

Ein Legat für die Wissenschaft

Victor Conrad verstirbt 1962 im 86. Lebensjahr in Cambridge, Mass. Seine Frau Ida (1880-1969) ordnet wohlüberlegt in ihrem Testament ein Legat an die ZAMG an, mit dem Wunsch, „… dass aus dem Nachlass ein Bauwerk errichtet wird, das der geophysikalischen oder meteorologischen Forschung dient und den Namen Victor Conrad trägt.“ Der finanzielle Grundstein zur Errichtung eines Observatoriums war mit dieser großmütigen Zuwendung gelegt.

1975 erhält Peter Melichar von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik den Auftrag einen geeigneten Standort für ein neues geophysikalisches Observatorium zu finden. Der Auftrag umfasste die Planung und Errichtung eines Observatoriums, welches gleichzeitig den spezifischen Anforderungen der wissenschaftlichen Forschung in den Bereichen Seismologie, Geomagnetismus und Gravimetrie entspricht. Außerdem musste das um 1952 errichtete Observatorium auf dem Cobenzl am Stadtrand von Wien aufgrund der starken Beeinträchtigung durch die Großstadt ersetzt werden. Nach intensiver Suche fiel 1979 die Wahl auf den Trafelberg in Niederösterreich in 1.100 m Seehöhe. Für die Standortwahl entscheidend war die Abwesenheit von natürlichen und vom Menschen verursachten Störungen, wie Bodenbewegungen und elektromagnetische Felder.
Der Standort erfordert zudem einen geologischen Untergrund, der über weite Bereiche weitgehend massive und unmagnetische Gesteine enthält. Der Trafelberg weist alle diese Merkmale auf und ist heute ein Waldschutzgebiet, das nur über eine für den öffentlichen Verkehr gesperrte Forststraße zugänglich ist. Das unmittelbare Schutzgebiet des Observatoriums umfasst 450 Hektar und ist nicht besiedelt. Peter Melichar wählte eine unterirdische Bauweise, um die Standardaufgaben eines Geophysikalischen Observatoriums sowie Grundlagenforschungen im alpinen Raum optimal durchführen zu können. Zusätzlich gibt es im Tunnelsystem sechs unterirdisch zugängliche Bohrlöcher mit einer Gesamtlänge von 700 m.

Es sollte jedoch noch Jahre dauern bis schließlich 1998 dank der unermüdlichen Tätigkeiten von Peter Melichar mit den Bauarbeiten des seismisch-gravimetrischen Teils des Conrad Observatoriums begonnen werden konnte. Das großzügige Vermächtnis an die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik durch das Legat von Ida Conrad und die großen Subventionen des Landes Niederösterreich bildeten wichtige Grundsteine. Diese externe finanzielle Unterstützung ermöglichte es schließlich für das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, das Conrad Observatoium an diesem hervorragenden Standort zu errichten.

 

Peter Melichar

Abb. 2: Peter Melichar, Leiter der Abteilung Geophysik und Direktor des Observatoriums von 1991 bis 2009, im GMO Stollen. (Credit: Bernhard Wieland)


2002 Eröffnung der ersten Baustufe: Das seismisch-gravimetrische Observatorium

Das seismisch-gravimetrische Observatorium SGO nimmt im Jahr 2002 seinen regulären Betrieb auf. Danach wurden nach und nach Messinstrumente für die verschiedensten Erdwissenschaftlichen Disziplinen in Betrieb genommen. Ein Meilenstein waren bereits 2002 die ersten hochgenauen und ungestörten seismischen Messergebnisse im Stollen des SGO. In den Folgejahren wurden unterschiedliche seismische Sensoren installiert und getestet. Entscheidend waren diese neuen Entwicklungen und Konstruktionen für den Aufbau des seismische Stationsnetzes in Österreich und in den Nachbarländern. Die Messungen erfolgen kontinuierlich auf speziellen Sockeln in Bohrlöchern und in einem Schacht auf dem Gelände des Observatoriums. 2007 war ein weiterer wichtiger Meilenstein die Inbetriebnahme des supraleitenden Gezeitengravimeters, gemeinsam mit der Universität Wien. Meteorologische Sensoren welche die Daten der gravimetrischen Auswertungen unterstützen, wurden in diesen Jahren im Außenbereich des SGO errichtet. 2009 wurden nach langer Planungszeit vier Infrasound Test und Kalibrier Systeme im Bereich des SGO für die Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization CTBTO errichtet und in Betrieb genommen.

Das seismo-gravimimetrische Observatorium (Baustufe 1)
Abb. 3: Der Eingangsbereich zum SGO (Credit: Gerhard Ramsebner)

 

2014 Eröffnung der zweiten Baustufe: Das geomagnetische Observatorium

Peter Melichar ging mit Ende 2009 in den Ruhestand. Ab Februar 2010 übernahm Roman Leonhardt die Leitung des Conrad Observatoriums. Im April 2010 wurde mit den Bauarbeiten für das GMO  begonnen. Basierend auf dem ersten vollständigen Datenjahr 2015 wurde das Observatorium bereits 2016 als INTERMAGET Observatorium für seine herausragende Datenqualität und deren Verfügbarkeit nach internationalen Kriterien zertifiziert.  Während der Bauarbeiten ab 2012 konnten die ersten Magnetfeld Sensoren im GMO zu Testzwecken in Betrieb genommen werden. Diese Messungen waren natürlich noch durch die Bautätigkeiten gestört. In den Jahren nach der Fertigstellung, kamen zahlreiche weitere Messsysteme und Prototypen der verschiedensten Fachrichtungen hinzu.

Im folgenden finden sie eine kurze Liste wichtiger Meilensteine. Zahlreiche Systeme wurden gemeinsam mit oder von nationalen und internationalen Partnern installiert. Details entnehmen sie bitte den entsprechenden Projekt- und Infrastrukturseiten. 

Messsysteme im Bereich des SGO:

Ab 2002 Installationen von Breitband und Strong Motion Seismometern im Stollen auf mehreren Sockeln und in einem Bohrloch.
2007 Gezeitengravimeter.
2008 Entwicklung und Installation des CALTAB_1 Kalibriersystems für Seismometer.
2010 Messungen der natürlichen Radioaktivität 
2010 Errichtung einer meteorologischen Station - METLIFT. 
2012 Snowpack Analyzer und Regenradar.
2016 Installation einer Tilt-Sensorik im Stollen des SGO.
2022/2023 Erneuerung des supraleitenden Gravimeters.
2023 Installation eines Trillium-360 Bohrlochseismometers.

Messsysteme im Bereich des GMO:

2009 Errichtung eines nichtmagnetischen Holzhauses im Bereich zwischen SGO und GMO, zur Überprüfung sämtliche Baumaterialen bezüglich ihrer magnetischen Eigenschaften an Ort und Stelle, während der Bauphase des GMO.
2010 und 2014 war jeweils ein Tag der offenen Tür im Conrad Observatorium. An die 700 Besucher besichtigten das Observatorium. Weitere Besuche wurden nach Abschluss der Bauarbeiten im GMO, und ebenso im SGO nicht mehr durchgeführt, um die kontinuierlichen Messungen nicht zu stören.
2013 Aufnahme der ersten magnetischen Absolut-Messungen mit den dafür bestimmten Standard Instrumenten.

2014 Inbetriebnahme des paläomagnetischen Labors.
2015 Inbetriebnahme des mit 9 Sensoren bestückten GEM 3D-Supergradiometer Magnetometers im gesamten Tunnel Bereich.
2015 Installation eines Induktionsspulensystems, zur Erfassung von hochfrequenten magnetischen Phänomenen. 
2017 Inbetriebnahme des Merritt-Spulensystems zur Kalibrierung von Magnetfelsensoren. 
2017 Schwaz in Tirol und 2018 Gams in der Steiermark – Errichtung von Magnetfeld Messstationen zur Erfassung von Magnetfeldvariationen.
2018 Das internationale 18. IAGA Workshop für Geomagnetische Observatorien mit einer erstmaligen Summer School für Junge Observatoren und Observatorinnen im GMO.
2022 Das Cavendish-Projekt.

Das GMO

Abb. 4: Laborgebäude des GMO (Credit: Lois Lammerhuber)

Das Observatorium mit allen dazugehoerigen Einrichtungen und Anlagen dient der kontinuierlichen seismischen, gravimetrischen und geomagnetischen Beobachtung und ist heute ein Ort der naturwissenschaftlichen Spitzenforschung auf internationalem Niveau.

Zitate und weiterführende Literatur:

Hammerl, C., Lenhardt, W., Steinacker, R. und P. Steinhauser (Hg.): Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. 150 Jahre Meteorologie und Geophysik in Österreich (Graz 2001) 838 p.

Hammerl, C. und M. Staudinger: 170 Jahre Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. (Graz 2021) 152 p.

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